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Unter Beschuß: Regulierung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR)

Die Regulierung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) ist eine EU-Verordnung, die im Juni 2022 von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde. Inhalte sind die Reduktion der ausgebrachten Menge und damit der Risiken von Pflanzenschutzmitteln.

Agrarminister mehrerer EU-Mitgliedsländer fordern eine weitere Folgenabschätzung der SUR. Diese Abschätzung würde die Vorschläge der Regulierung schwächen und deren Annahme weiter verzögern.

29 Nichtregierungsorganisationen, die europäische Bio-Bewegung, Imker und IBMA (Verband internationaler Hersteller biologischer Pflanzenschutzmittel) fordern das EU-Parlament und den EU-Rat auf, den Vorschlag der EU-Kommission zur SUR zu unterstützen, trotz derzeitiger Angriffe und Kritik, die die SUR schwächen und deren Annahme verzögern.

Hier das Forderungsschreiben an EU-Parlament und EU-Rat:

Sehr geehrte Ministerinnen und Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Gesundheit,
sehr geehrte Präsidentin des Europäischen Parlaments
cc: Sehr geehrte AGRI- und ENVI-Koordinatoren, sehr geehrte Mitglieder der AGRI- und ENVI-Ausschüsse

Donnerstag, 10. November 2022

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, verurteilen aufs Schärfste die Angriffe, die darauf abzielen, die Ziele des Vorschlags für eine Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) zu schwächen und deren Annahme zu verzögern.

Dieser Rechtsakt ist entscheidend für die Umsetzung der Strategien "Vom Erzeuger zum Verbraucher" und "Biologische Vielfalt" sowie des Aktionsplans zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung und daher von zentraler Bedeutung für die Verwirklichung der Ziele des Green Deal.

Die Überarbeitung der Richtlinie über den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden (SUD) muß zu einer ehrgeizigen SUR-Reform führen, die ein wichtiger Schritt ist auf dem Weg zu einer giftfreien Umwelt, zum Schutz der Umwelt und zur Schaffung widerstandsfähiger landwirtschaftlicher Systeme, die in der Lage sind, die Nahrungsmittelproduktion zu sichern und aktuelle und zukünftige Krisen zu bewältigen.

Dennoch haben die Agrarminister aus Österreich, Bulgarien, Estland, Ungarn, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien und der Slowakei auf der Tagung des AGRI-FISH-Rates am 26. September 2022 einen Antrag an die Europäische Kommission gesandt, eine zweite Folgenabschätzung zum SUR-Vorschlag durchzuführen, mit der Begründung, daß die derzeitige Folgenabschätzung "die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die weltweite Ernährungssicherheit und die daraus resultierenden Bedrohungen für die Europäische Union" nicht berücksichtigt.1
In ähnlicher Weise forderten die Mitglieder der Europäischen Volkspartei die Kommission auf, den SUR-Vorschlag zurückzuziehen. Sie kritisieren den Teil des SUR-Vorschlags, der sich auf die möglichen Auswirkungen der Reduzierung von Pestiziden auf die Ernährungssicherheit bezieht.2

Dazu ist zu sagen, daß die Ernährungssicherheit in der Europäischen Union derzeit nicht durch den Krieg in der Ukraine gefährdet ist. Und der massive Einsatz von synthetischen Pestiziden hat bereits negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, die biologische Vielfalt einschließlich der Bestäuber, sowie auf die Wasser- und Bodenqualität.

Die Abschwächung des SUR-Vorschlags und die Verzögerung seiner Verabschiedung bringt die EU in eine Situation der Verwundbarkeit. Wie von Gruppen der Zivilgesellschaft3 und Wissenschaftlern4 hervorgehoben wurde, würde uns die Verschiebung und Verwässerung der in der SUR vorgeschlagenen Ziele zur Reduzierung von Pestiziden, nur noch weiter davon entfernen, die Lebensmittelproduktion langfristig zu sichern und widerstandsfähig zu werden gegenüber Bedrohungen wie dem Klimawandel und der Krise um die biologische Vielfalt.

Synthetische Pestizide sind schädlich für die Umwelt und die biologische Vielfalt5 sowie für die Qualität von Boden, Wasser und Luft. Außerdem haben sie negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, besonders auch auf die von Kindern.6 In der Landwirtschaft tätige Personen sind synthetischen Pestiziden am stärksten ausgesetzt und müssen vor deren Auswirkungen 7 geschützt werden, so wie jeder von uns.

Die europäischen Bürger haben ihre Stimme erhoben und eine Verringerung des Einsatzes synthetischer Pestizide gefordert. Am 10. Oktober 2022 hat die Europäische Kommission die Europäische Bürgerinitiative (EBI) “Save Bees & Farmers” validiert, die mehr als eine Million Unterschriften gesammelt hat. Die EBI fordert den schrittweisen Verzicht auf synthetische Pestizide bis 2035, die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und die Unterstützung von Landwirtinnen und Landwirten, um dieses Ziel zu erreichen.8

Wir fordern daher die Landwirtschafts-, Gesundheits- und Umweltminister sowie die Mitglieder des Europäischen Parlaments auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die unabhängige Wissenschaft und die europäischen Bürger anzuhören. Wir fordern sie nachdrücklich auf, sich für die Anwendung des integrierten Pflanzenschutzes einzusetzen – einschließlich Vorbeugemaßnahmen, längere Fruchtfolgen, Diversifizierung der Kulturen und biologische Schädlingsbekämpfung – diese arbeitet im Einklang mit der Natur und ist seit 2014 verpflichtend. Außerdem fordern wir sie auf sich für die Förderung von Anbausystemen wie dem agrarökologischen und dem ökologischen Landbau einzusetzen und den Einsatz von synthetischen Pestiziden deutlich zu reduzieren.

Die genannten Landwirtschaftspraktiken und -systeme führen bei ihrer Umsetzung bereits zu einer Verringerung des Einsatzes synthetischer Pestizide und produzieren gleichzeitig gesunde Lebensmittel für alle. Sie haben positive Auswirkungen auf die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und auf die Ökosystemleistungen und das Klima und sie gefährden nicht die Gesundheit der in der Landwirtschaft tätigen Personen.9 Ökologische und agrarökologisch wirtschaftende Personen, die Alternativen zum Einsatz synthetischer Pestizide finden, sollten vom SUR angemessen unterstützt werden, da sie den größten Beitrag zur Erreichung der Ziele der Farm to Fork-Strategie in bezug auf die Reduzierung von Pestiziden leisten.

Wir fordern die Minister für Landwirtschaft, Gesundheit und Umwelt sowie die Mitglieder des Europäischen Parlaments auf, keine weiteren Verzögerungen bei der Verabschiedung des SUR zu fordern und sich für einen ehrgeizigen SUR zu einzusetzen. Wir vertrauen darauf, daß die europäischen Entscheidungsträger der vor ihnen liegenden Aufgabe gerecht werden, den aktuellen SUR-Vorschlag weiter zu verbessern, um sicherzustellen, daß die Umweltziele des EU Green Deal angemessen berücksichtigt werden, um unsere Gesundheit und die Umwelt zu schützen und unsere Landwirtschaft widerstandsfähiger zu machen.

Mitunterzeichnende:

IFOAM Organics Europe (EU)
International Biocontrol Manufacturers Association (IB MA) (EU)
European Professional Beekeepers (EU)
Association (EPBA)
Corporate Europe Observatory (EU)
BeeLife European Beekeeping Coordination (EU)
BirdLife International (EU)
Friends of the Earth Europe (EU)
Pesticides Action Network – PAN Europe (EU)
European Agroforestry Federation (EURAF) (EU)
Agroecology Europe (EU)
Health and Environment Alliance
European Environmental Bureau (EEB) (EU)
SlowFood Europe (EU)
Générations Futures (Frankreich)
Nature & Progrès – Belgique (Belgien)
ARC 2020 (Agriculture and Rural Convention) (EU)
GLOBAL 2000 (Friends of the Earth Austria) (Österreich)
ZERO (Associação Sistema Terrestre Sustentável) (Portugal)
Bond Beter Leefmilieu (Belgien)
NABU (Nature And Biodiversity Conservation Union) (Deutschland)
Voedsel Anders (growing network for agroecology) (Belgien)
Hogar sin Toxicos (Spanien)
CANOPEA (Belgien)
Hnutí DUHA (Friends of the Earth Czech Republic) (Tschechische Republik)
Natuur & Milieu (Niederlande)
Meten=Meten (Niederlande)
Milieudefensi e Westerveld (Niederlande)
(association for ecological living and gardening) (Belgien + Niederlande)
BUND (Friends of the Earth Germany) (Deutschland)
Pestizid AktionsNetzwerk (PAN Germany) (Deutschland)
Vida Sana Association (Spanien)
Natuurmonu menten (Niederlande)

 

1 Quelle: https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-12601-2022-INIT/x/pdf
2 Quelle: MEPs slam Commission on food security impact of reducing pesticides – EURACTIV.com
3 Quelle: 2022-03-21-Publication-of-the-revision-of-the-legislation-on-the-sustainable-use-of-pesticides.pdf (eeb.org)
4 Quelle: https://zenodo.org/record/6366132#.Y1pSfS8ithD
5 Quelle: UN General Assembly: Report of the Special Rapporteur on the right to food
6 Quelle: Inserm Publishes Its Latest Collective Expert Review on the Health Effects of Pesticides | Newsroom | Inserm
7 Curl, C.L., Spivak, M., Phinney, R. and Montrose, L., 2020. Synthetic Pesticides and Health in Vulnerable Populations: Agricultural Workers. Current Environmental Health Reports, 7(1), pp.13-29.
8 Quelle: Citizens initiative to phase out synthetic pesticides placed on EU agenda – EURACTIV.com
9  Quelle: IDDRI: Agroecology and carbon neutrality in Europe by 2050: what are the issues