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Wie kommen die Nematoden zu ihren wissenschaftlichen Namen?

Das hat sich bestimmt schon manch eine/r gefragt: Heterorhabditis bacteriophora, Steinernema feltiae …. – woher stammen diese Namen?? Die Antworten fallen ziemlich unterschiedlich aus, im Fall von Steinernema kraussei ist die Antwort ziemlich naheliegend: Die Herren Krausse und Steiner stecken dahinter.

Hier die Geschichte der ersten Entdeckung eines insektenpathogenen Nematoden durch Anton Krausse 1917/18 und die Beschreibung von Steinernema kraussei (Aplectana kraussei) durch Gotthold Steiner 1923.

Anton Krausse wurde am 29. Dezember 1878 in Heldrungen, Thüringen, Deutschland, geboren.
Er studierte Naturwissenschaften in Berlin und Jena und promovierte 1905 in Jena mit einer Arbeit über die Antenne von Ameisen. Von 1906 bis 1914 lebte Anton Krausse zurückgezogen auf der Insel Sardinien, Italien. In dieser Zeit verdiente er seinen Lebensunterhalt mit dem Sammeln und Verkaufen verschiedener Insekten und anderer Tiere an Museen in aller Welt. Er leistete wertvolle Beiträge zur Tierwelt der Insel und beschrieb mehrere neue Arten. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs war er gezwungen, sein gesamtes Hab und Gut zurückzulassen und nach Deutschland zurückzukehren. An der Forstlichen Hochschule in Eberswalde, Deutschland, wurde ihm eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter angeboten (Wolff, 1930).

Vom 1. bis 5. Oktober 1917 und erneut vom 27. Mai bis 10. Juni 1918 unternahm Krausse Exkursionen in einen Wald im Eggegebirge bei Neuenheerse, in der Nähe von Paderborn, Westfalen, wo er einen massiven Ausbruch der Gemeinen Gespinstblattwespe Cephalcia abietis L. (Hymenoptera: Pamphiliidae) an Picea abies (Gemeine Fichte) mit bis zu 600 Nymphen pro m² untersuchte.
Er entnahm Proben und identifizierte mehrere Wespen, die diesen Schädling parasitieren (Krausse 1917). Dieses Insekt ist ein häufiger natürlicher Wirt für Steinernema kraussei (Mráček 1982) und S. feltiae (Fischer 1989). Fischer berichtete, dass 32 % der Bodenpopulation mit S. feltiae befallen waren. Unter Wald- und Laborbedingungen wurde eine positive Korrelation zwischen dem pH-Wert des Bodens und dem Befall von Insekten festgestellt, wobei pH-Werte unter 4,0 die Wirtsfindung des Nematoden einschränken (Fischer und Führer 1990). Krausse fand eine mit Nematoden befallene Nymphe und schickte sie an Gotthold Steiner.

Gotthold Steiner, geboren am 8. April 1886 in Signau, Schweiz, war ein renommierter Nematologe, der bedeutende Beiträge zu diesem Fachgebiet leistete. Er erhielt seine höhere Ausbildung an den Universitäten Bern und Zürich und promovierte 1910. Steiner nahm von 1901-1903 an der deutschen Südpolarexpedition mit dem Segelschiff Gauss teil und fasste seine Forschungen in zwei Publikationen zusammen (Steiner 1931 a,b). Bis 1921 war er als Dozent in Zürich tätig. 1922 wechselte er zu N.A. Cobb in die Abteilung für Nematologie des U.S. Department of Agriculture in Beltsville. Nach dem Tod von Cobb im Jahr 1932 wurde Steiner dessen Nachfolger als Hauptnematologe und Leiter der Abteilung.

Als er 1956 in den Ruhestand ging, zog er nach Puerto Rico, wo er seine Karriere an der Agricultural Experiment Station in Rio Piedras fortsetzte. Dr. Steiner verfasste 191 wissenschaftliche Arbeiten, die sich größtenteils mit freilebenden Nematoden, einschließlich Meeres-, Süßwasser- und Bodenformen, sowie mit den Nematodenparasiten von Pflanzen und wirbellosen Tieren befassten. Sein besonderes Interesse galt der Anatomie, Morphologie, Phytonematologie, marinen Nematoden, Ernährung, Mermithiden (Familie der Nematoden) und ausgewählten wirbellosen Taxa (Systematik).

Steiner erhielt von Krausse Material, das eine parasitierte Larve von Cephalcia abietis (Gemeine Fichtengespinstblattwespe) enthielt. Bei der Untersuchung entdeckte Steiner eine neue Art von Nematoden, die er zu Ehren von Krausse Aplectana kraussei (Rhaditida: Oxyuridae) nannte (Steiner 1923). Die Publikation ist in deutscher Sprache verfasst, eine Übersetzung findet sich weiter unten. Travassos erkannte, dass die Einordnung in die Gattung Aplectana Railliet & Henry 1916 eine Fehleinschätzung war und stellte die Gattung Steineria Travassos 1927 (Travassos 1927a) auf.
Diese Gattung war bereits für eine Gruppe mariner Nematoden (Steineria Micoletzky, 1922) vergeben worden, weshalb Travossos die Gattung rasch in Steinernema Travassos 1927 (Travassos 1927b) umbenannte.

Die Entdeckung von Steinernema kraussei war ein wichtiger Meilenstein in der Forschung auf dem Gebiet der entomopathogenen Nematologie. Heute ist Steinernema kraussei als Antagonist mehrerer Sägewespenarten bekannt, und er ist eine von vielen Nematodenarten, die in biologischen Bekämpfungsprogrammen zur Bekämpfung von Insektenschädlingen bei niedrigeren Temperaturen eingesetzt werden. Die Arbeit von Krausse und Steiner verdeutlicht auch, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern aus verschiedenen Bereichen und Regionen ist, da Entdeckungen in einem Bereich oder einer Region bedeutende Auswirkungen auf andere haben können.

Ein Kongress anlässlich des 100. Jahrestages der Erstbeschreibung des insektenpathogenen Nematoden Steinernema kraussei durch Gotthold Steiner im Jahr 1923 findet 2024 in Logrona, Spanien statt.

 

Literatur:

Fischer, P. 1989: The entomoparasitic nematode species Steinernema feltiae (Nematoda: Steinernematidae) as a mortality factor of the spruce webworm Cephalcia abietis (Hymenoptera: Pamphiliidae). Entomologia Generalis 21, 107-115.

Fischer, P.  and Führer, E. 1990: Effect of soil acidity on the entomophilic nematode Steinernema kraussei Steiner. Biology and Fertility of Soils 21, 107-115.

Krausse, A. 1917: Forstentomologische Exkursionen ins Eggegebirge zum Studium der Massen­ver­meh­rung der Cephaleia abietis L. Archiv für Naturgeschichte  83A (6): 46 - 49.

Mráček Z. 1982: Horizontal distribution in soil, and seasonal dynamics of the nematode Steinernema kraussei, a parasite of Cephalcia abietis. Journal of Applied Entomology 94, 110-112.

Steiner, G. 1923: Aplectana kraussei n.sp., eine in der Blattwespe Lyda sp. parasitierende Nematoden­form, nebst Bemerkungen über das Seitenorgan der parasitischen Nematoden. Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde, Infektionskrankheiten und Hygiene, Zweite Abteilung 59, 14-18.

Steiner. G. 1931a: Die Nematoden der Deutschen Südpolar-Expedition 1901-1903. I. Teil. Deutsche  Südpolar-Expedition 20, 167-216.

Steiner, G. 1931b: Die Nematoden der Deutschen Südpolar-Expedition 1901-1903. II. Teil. Deutsche  Südpolar-Expedition 20, 305-433

Travassos L. 1927a: Sobre o genero Oxysomatium. Boletim Biologico, Sao Paulo 5, 20-21.

Travassos L. 1927b: Uma nova Capillaria parasite de peixes de agua doce: Capillaria sentinosa n. sp.  Boletim Biologico, Sao Paulo 10, 215-217.